Peter Panten (D)

Das Leben ist nicht immer fair


Hier erfährt der Leser interessante Neuigkeiten über Zustände seinerzeit und erhält Einblicke in das Leben eines Jungen, der mehr als pfiffig ist. Und wie kann es anders sein, es geht auf-, aber auch abwärts. Doch die geschichtlichen Hintergründe auf dem Weg durch drei Staaten sind historische und biographische Begebenheiten.

Was hier erzählt wird, ist für viele Menschen nicht nur neu, sondern auch hochinteressant für ihr eigenes Leben.

Erfolg und Glück stehen am Ende, Begegnungen mit Prominenten mit großen Namen prägen den Schluss mit Resonanz auch für den Leser.


Buch

Das Leben ist nicht immer fair

Peter Panten (D)

Buch, Softcover, 384 Seiten, 21 x 14,8 cm, Erscheinung: 13.01.2022, 1. Auflage, Deutsch, ISBN: 978-3-906212-89-0

Das Leben ist nicht immer fair (Buch, SC)

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Autor

Peter Panten, gezeichnet von Prof. Siegfried Klotz (1939-2004)
Peter Panten, gezeichnet von Prof. Siegfried Klotz (1939-2004)

Peter Panten, geboren 1938 in Dresden, absolvierte die Handwerks- und Kunstgewerbeschule in Zwickau und  1956-58 das Mal- und Zeichenstudium bei Prof. Michel. 1957 war er Gründungsmitglied der DDR-Literaturbewegung.

Weitere Studien der Psychologie, Literatur, Kunstgeschichte und moderne Malerei folgten. Er war Texter, Autor, Buchhändler.

Durch seinen Widerstand 1962 gegen die Teilung Deutschlands mehrmals in Haft, Enteignet und seiner großen Kunstsammlung staatlich beraubt durfte er 1984 in die Bundesrepublik übersiedeln. Er lebte fortan in Bayern.

Nach der Wende zog es ihn wieder in seine Geburtsstadt.


Leseprobe

1939 – ein Junge wird geboren,

getauft auf Helge. Seine Eltern sind stolz auf einen Sohn, wie alle Leute in Deutschland damals. Denn mit einem Jungen konnte eine Familie viel planen, da gab es vielerlei Zukunftsaussichten. Es ging aufwärts im Land, wie die Leute sagten.

Die Großeltern von Helge waren zum einen die Oma, eine feine, blonde, sehr schlanke Frau, die sich gern von Malern porträtieren ließ und einen Wohnsalon hatte, mit reichlich Nippes, eine Liebhaberin vom Jugendstil, aus einer reichen Familie eines Posthalters mit einem eigenen Gestüt. Die Urgroßmutter hatte das Geld nach dem Tod des Posthalters gut angelegt. Sie kaufte in Dresdens schönsten Lagen Grundstücke, bebaute und unbebaute. Unter anderem kaufte sie auch den Münchner Krug auf der Münchner Straße in Dresden-Plauen, eine gutbürgerliche Gaststätte mit Billardsaal, die sie recht gut verpachtete. Überhaupt war die Urgroßmutter, Uromel genannt, eine tüchtige Geschäftsfrau, die keinerlei Partei anhing, die Freiheit der Entscheidung liebte und keine Bevormundungen zuließ. So hatte auch ihre Tochter wenig Einfluss auf das Geschehen in der Familie und sie war froh, dass sie mit jungen Jahren unter die Haube kam. Ein sehr rechtschaffener Mann, gut aussehend und ein Diplom-Kaufmann mit hoher Schulbildung. Und was die Großmutter vor allem begeisterte, er war ein begnadeter Klavierspieler, ganz wie sein Vater, ein in der Stadt bekannter Marzipanist und Chocolatier »en gross end tetisch«, wie es hieß. Auch gut betucht, passte alles zusammen, meinte die Uromel und veranstaltete eine üppige Hochzeit in der Felsenkeller Brauerei in Freital mit 70 Leuten.

Aber nun wieder zu Mutter und Vater von Helge. Sie, eine zarte Frau, sehr schlank, mit blonden Haaren und feinen Gliedmaßen, hatte eine Begabung zum Tanz. Daher durfte sie zu dem damals berühmten Tanzstudio gehen. Dort traf sie Gret Palucca, die etwas älter war als sie, aber von einer tänzerischen Gewalt, die die Mutter begeisterte. Alles drehte sich bei der Mutter ums Tanzen der klassischen Art und, nachdem sie Freundschaft mit Gret Palucca geschlossen hatte, nur noch um den von dieser kreierten Ausdruckstanz, der weltberühmt werden sollte.

Oft kamen Freunde der Palucca ins Studio der Wiekmann, sahen dem Tanz zu und skizzierten die Tanzfiguren. So wurde sie mit Paul Klee und Wassily Kandinsky bekannt, die wiederum ganz in der heimatlichen Nähe bei einer Freundin der Oma, nämlich Frau Ida Bienert, eine der berühmtesten Kunstsammlerinnen Deutschlands, bekannt wurde.

Die Oma, die Frauenschaftsführerin in Dresden-Süd war, hatte Frau Bienert als Kunstebenbürtige gefunden und auch bei den von Bienerts veranstalteten Soirees in der Villa auf der Würzburger Straße trafen sich Künstler wie Klee, Kandinsky u. a. m.

Zu bestaunen gab es damals die vielen französischen Bilder der Künstler des Impressionismus, wie es hieß. Ein Begriff, der in Deutschland seinerzeit keinen guten Namen hatte. Den Nationalsozialisten waren die Formen zu verschwommen, zu wenig inhaltliche Aussage, wie es hieß. Man brachte diese Künstler mit solchen wie Max Liebermann und sonstigen jüdischen Malern in Verbindung. Aber die Bienert sammelte mit Freude, fuhr oft nach Frankreich und begann später sogar eine Freundschaft mit der Peggy Guggenheim, welche einen großen Einfluss auf ihre gezielte Sammeltätigkeit hatte. Helge konnte sich noch gut erinnern, wenn er mit der Oma bei Bienerts war, dass er sich über ein Bild wunderte, das im großen Hausaufgang hing und die Oma es ihm erklärte, was das für ein Mann war mit der großen bunten Nase: grelles Gelb, Blau und Rot. Es war ein Tahitianer. »Ja«, sagte Klein-Helge zu seinen Freunden auf der Straße, »dort hängt ein Bild von einem Indianer«. Die zuhörenden Buben staunten, noch nie hatten sie von einem Indianerbild hier im Ort gehört.

Mehrfach sagte Klein-Helge diesen Begriff, auch bei seinem gut gebildeten Opa. Der Großvater schmunzelte und sagte zu dem kleinen Helge: »Das ist kein Indianer, sondern ein Mann von der Insel Tahiti, also ein Tahitianer. Der Maler ist der berühmte Gauguin«. Helge fragte sofort wissbegierig den Großvater: »Ist der auch auf deinen Briefmarken und Münzen abgebildet?« »Nein«, sagte der Opa, »so berühmt ist der nun doch wieder nicht. Nur hohe Herren aus der Politik und königliche Hoheiten oder Kanzler sind auf den Marken oder Münzen«. »Und wann gehen wir wieder mal zu einer Auktion«, fragte der aufgeregte Junge gleich. »Zu deinem Geburtstag ist eine Münzauktion im Hotel Deutscher Hof, da gehen wir hin und dann darfst du dir eine Münze kaufen, die dir gefällt«.

Helge jubelte zu Oma hin. »Gehst du auch mit, Oma?«, fragte er neugierig. »Nein«, sagte die, »ich warte lieber im Café Schmorl«. »Oh ja«, jubelte Helge, »da kann ich wieder Torte essen«.

Im Jahr 1944 gab es noch Torte bei Schmorl, zwei Jahre später gab es das Café Schmorl nicht mehr, nur eine Ruine wie fast alle schönen Gebäude der Stadt, die in einem Bombeninferno untergegangen sind.

Der Sommer 1944 wurde, wie jedes Jahr, in Lauenstein verbracht. Die Oma fuhr mit Klein-Helge schon vor, der Opa sollte nachkommen. Er hatte noch geschäftliche Transaktionen zu erledigen, die keinen Aufschub oder Urlaub zuließen. In Lauenstein, einem kleinen Ort im Erzgebirge, hatte die Oma jahrelang eine kleine Ferienwohnung beim Bäcker Schönberger angemietet. Die Luft im Erzgebirge tat ihr so gut, denn sie litt an Asthma. Auch das in der Nähe gelegene Bad war eine Freude und Helge lernte schon früh das Schwimmen. Später kam der Großvater nach und brachte allerlei Köstlichkeiten mit, die es in der kleinen Gemeinde nicht gab. Man machte sich das Frühstück noch selbst, nur das frische Brot oder die Semmeln von unten aus der Bäckerei kamen dazu.

Das Schönste an dem Urlaub war für Helge, wenn er auf dem Kuhgespann mit den Bäckergesellen Mist fahren konnte. Auf einem offenen Gespannwagen wurde so viel Mist aus dem Stall oder dem Misthaufen auf die Pritsche geladen, wie es nur ging, dann die Kühe eingespannt und los ging die Fuhre über den Berg aufs Feld. Dort stand der Geselle hinten auf der Plattform und verstreute den Mist auf das Feld, wobei das Fuhrwerk langsam weiterfuhr. Helge durfte die Zügel halten und darauf achten, dass die Kühe nicht stehen blieben. Es war ein schöner Gestank, der in die Kleider zog, und wenn der Junge dann zur Oma in die Stube kam, musste er sich sagen lassen, wie er stinke und dass er sofort in die Wanne müsse. Die Sachen waren es doch nur, aber die Oma bestand auf baden. Eine Magd schleppte eimerweise heißes Wasser in die erste Etage, wo die Wanne stand und wollte Helge mit einer großen Stielbürste den Rücken schruppen, wie sie sagte. »Nein, nein«, schrie Helge raus. Die Oma schmunzelte, der Junge hatte schon einen gewissen Charme.

Abgeseift und frottiert von der Oma, saß Helge nun am Tisch und trank einen Kakao mit frischer Kuhmilch, was in der Stadt rar wurde, und aß dazu eine Buttersemmel mit Salz.

Wenn Helge in Dresden war, ging er gerne zu Mutters Freundin, zur Tante Mende. Die hatte in Dölzschen, wo auch ein Schwimmbad war, einen Garten mit Beerensträuchern, aus denen sie Marmelade kochte. Er fragte immer sofort, wenn er mit der Mutter ankam: »Tante Mende, hast du ein Beerenschnittel?« Die alte Frau nickte. »Selbstverständlich, Helgelein, mache ich sofort«.

Überhaupt war Essen für Helge eine wichtige Sache. Und als der Opa sich darüber mal lustig machte und zu Helge sagte, hoffentlich bleiben uns die guten Leute mit den Gärten erhalten, verstand der Junge nicht, was der Opa meinte.

Die Ferien in Lauenstein gingen mit dem Besuch des Schlosses zu Ende, wo nur wenige Räume zu besichtigen waren. In den vergangenen Wochen war hier ein Lazarett für genesende Soldaten eingerichtet worden. Und so gab man sich zufrieden mit dem Rittersaal und seiner Eisenmänner mit Harnisch und Hellebarde ...


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Autor (Zeichnung von Prof. Siegfried Klotz [1939-2004]

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