Dr. Günter Mager (D)

Engels und die Schwestern Burns


In den meisten Biographien über Friedrich Engels fanden seine Lebensgefährtinnen Marie und Lydia Burns gar keine oder nur Lebensdaten erfassende Erwähnung. Seine Biographen übergingen Engels tiefe Liebe und Leidenschaft für Marie, und nach deren frühem Tode ihre Schwester Lydia. Die beiden Frauen kamen aus Irland und galten schon ihrer Herkunft wegen für einen Fabrikanten als nicht gesellschaftsfähig. Doch nahm vor allem Lydia an den politischen und sozialen Kämpfen ihrer Zeit teil, was einem Engelsschen Freund veranlasste, ihm den „Rat“ zu geben, er solle Frau Burns in der Wanne baden, die er ihm aus Frankreich mitgebracht habe, damit er das Feuer der Leidenschaft, das in ihr brenne, löschen könne. 

Die Schwestern Burns waren liebende Frauen, gefangen in religiösen Traditionen, die sich – wie der Fabrikant Engels – über alle gesellschaftlichen Ressentiment hinwegsetzten.


Buch

Engels und die Schwestern Burns

Günter Mager (D)

Buch, Hardcover, 424 Seiten, 21,5 x 15 cm, erschienen: 05.12.2019, 1. Auflage, Deutsch, ISBN: 978-3-906212-53-1

Engels und die Schwestern Burns (Buch, HC)

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Autor

Günter Mager erlebte seine Kindheit in einem von den Nazis verfolgten und sozialdemokratisch orientierten Elternhaus, das ihn weltanschaulich prägte und ihn zum Gegner faschistischen Handeln und Denkens macht. 

 

Er studierte Geschichte und promovierte an der Martin-Luther-Universität Halle. 

Er lehrte u.a. als Dozent an einer Fachschule.


Leseprobe

Kapitel 1

Iren sind ein besonderer Menschenschlag. Iren sind Familienmenschen. Familie ist ihr A und O. Zur vollständigen irischen Familie zählen nicht nur die engeren Verwandten, sondern auch die etwas weiteren, z.B. die Enkel der Schwestern und Brüder beider Großmütter und Großväter. Bedenkt man die allgemeine Freude am Kinderzeugen und –kriegen, kommt eine stattliche Verwandtschaft zusammen, die zuweilen auch die Nachfahren der Urgroßeltern einschließt. Verwandtschaft hat Volumen, auch wenn man sich nicht unbedingt persönlich kennt. Schon der Name eint: Burns zum Beispiel. Wer den Namen trägt, muss irgendwie mit jedem Burns verwandt sein, mag er in Ulster. Munster, Connacht oder Leinster sein Leben verbringen. Verwandtschaft zählt und darf auf gemeinsame Freude, gemeinsames Leben, Verständnis für die Schwächen des lieben Verwandten hoffen, aber auch auf Ehrerbietung vor dem Älteren, der Frau vor dem Manne, der Söhne und Töchter vor den Vätern und vor allem auf Hilfe, wenn‘s einem Verwandten an Hilfe gebricht. 

Das Leben auf der großen, grünen, mit bescheidenen Bergen, großen Seen, Flüssen, Mooren beschenkten Insel war seit eh und je schwer genug für die Bewohner, denen man rothaarigen Schopf nachsagt, aber nur wenige haben ihn. Von den Iren wird behauptet, im Pub wären sie nach der Arbeit auf dem Felde oder in einer der wenigen Werkstätten häufiger als in den eignen vier Wänden anzutreffen, das ist jedoch die Unwahrheit; denn nicht gar zu wenige Iren sind schon vor der Arbeit auf einen Sprung von einer guten Stunde oder auch etwas mehr im Pub. Dort gibt es die Neuigkeiten, auf die jeder Ire, so wird es ihm nachgesagt, gierig sei wie das Krokodil auf die Beute. Eine Neuigkeit forttragen wie eine Schneeflocke im Winde und sie ausschmückend mitdenken und mitträumen, das wäre es, was den echten Iren auszeichne vorm hergelaufenen Engländer, Schotten oder sonst woher Kommenden und zu dem mache, was eben kein andrer könne: ein wirklicher, verwandtschaftsverbundener Ire sein – ein Burns gar!

Burns gibt es in allen Winkeln der Insel. Der Fleiß, verbunden mit tiefem, selbstverständlich katholischem Glauben, und die Kraft und Lust der Lenden muss dem Urvorfahren der Burns, dem der Name David zugelegt wird, von Gott eingegeben worden sein, wie anders sollte man sich sonst die Burnsschwemme erklären können?! Man muss sie nicht erklären! Sie ist da; denn Gott wollte sie und setzt in der männlichen Abfolge der Geschlechter fort, was dem Urvater durch Gottes unergründlichen Ratschluss, aber auch zur Freude und Lust aller männlichen Burns zugekommen worden war: die Treue zur Familie, zur Verwandtschaft, zum Hergebrachten, zum Glauben an die Dreieinigkeit Gottes.

Zum Letzteren war dem Michael Burns ein Dämpfer aufgesetzt worden. Er hatte, wie alle Burns vor ihm, ein sechzehnjähriges Mädchen zu seiner Frau gemacht, mit achtzehn gebar sie ihr erstes Kind. Zu einem hellen, blonden Mädchen sollte es heranwachsen, doch starb es schon nach wenigen Monaten. Andere Kinder folgten, aber nur drei blieben. Zwei erreichten als heiratsfähige, aber keineswegs dazu bereite Töchter das Erwachsenenalter, verzichteten fern des Brauches auf den Ehemann. Auch ein Junge war Michael Burns herangewachsen von den neun Kindern, die ihm seine Frau Mary geboren hatte. Danach war einfach Schluss, und so sehr sich Michaels Lenden bäumten, das zehnte Kind wollte bei den Burns nicht geboren werden. Darüber hatte Michael mit dem Pfarrer Hunt gesprochen, der ihn mit den üblichen, hilflosen Reden zurichtete, wie Gottes Wille oder Gottes Ratschluss oder allein Gott weiß, was für die Burns gut ist und dergleichen mehr. Da war der Pfarrer schlecht beraten. So ganz, und selbst für Michael unmerklich, hatten sich gefährliche Denkviren in seinem Hirn eingenistet. Wahrlich, für einen guten Katholiken, wie Michael Burns einer war oder zu sein meinte, eine hinterhältige, schleichende, geheimnisvolle Krankheit: die Suche nach der Wahrheit außerhalb der Religion. Eine Infamie also, die ihn befiel, ohne dass er sich ihrer zunächst bewusst wurde. Pfarrer Hunt erkannte lange vor Michael das Abirren seines Schäfleins und suchte es mit langmütiger Güte in die Herde zurückzutreiben. Aber dem störrischen Bock Burns war nicht beizukommen.

Er war und blieb so, wie er geworden war. Ihm genügten die platten Antworten Pfarrer Hunts nicht. Nach dem Tode des ersten kleinen Mädchens, das nach der Großmutter Angela genannt worden war, begannen diese Denkviren ihr Unwesen. Warum dieser doch als gütiger Gott bekannte Gott ihm diesen Schmerz zugefügt habe. Selbst wenn er, wovon er jedoch nichts wüsste, von Gott für irgendeine Missetat hätte bestraft werden sollen, so hätte Gott ihm Husten, Schnupfen, die spanische Grippe seinetwegen, anhängen können, aber dieses junge Leben einfach auslöschen für eine Schuld, die er ohne sein Wissen auf sich geladen habe, also ohne jede Absicht und niemals mit bösem Willen, das könne er Gott nie verzeihen.

„Du haderst mit Gottes Ratschlüssen. Sie sind unergründlich“, hatte Pfarrer Hunt begütigen wollen, aber Michael Burns hatte dem Pfarrer nur aufgebracht geantwortet: „So einen Quatsch will ich von Euch nie mehr hören, Pfarrer Hunt.“

Zwar hatte danach Pfarrer Hunt noch mehrfach versucht, dem Michael Burns ein Licht aufzustecken, doch war Burns Erwidern eher gröber als umgänglicher geworden. Die Jahre und die weiteren Kinder hatten nichts daran geändert, im Gegenteil, sie bestichelten einander noch eine Zeit lang, wo sie nur konnten, dann aber verspritzten sie wirksameres Gift und trugen beide dazu bei, dass sich im Städtchen Tipperary zwei Parteien bildeten: die des Pfarrers Hunt und die mehr geheime des Michael Burns. Was denn Gott getan habe in seiner tausendjährigen und erst von den Christen erkannten Macht gegen Unehrlichkeit und Verrohung, Kindesmord und Niedertracht, Plünderung und Vergewaltigung, trieb Burns den Pfarrer vor sich her, der ihn schließlich von der Kanzel herunter als einen Teufelsbruder, einen Hexenmeister beschimpfte und so für Wallungen sorgte. 

Ein Hexenmeister war Michael Burns im Nebenerwerb, hatte er doch eine Kunst zur Perfektion gebracht, die ihm Bewunderer und Neider bescherte. Er konnte Wolle, die zu Fäden gesponnen worden war, in einer einzigartigen Weise färben: Grün, wer sie grün haben wollte, nicht nur grün so allgemein, sondern ein Grün, wie es der Kunde sich unter vielen Varianten ausgesucht hatte. Und wenn er nach einem Jahr das gleiche Grün erneut verlangte, für Burns war das kein Problem, auf den Farbton genau erhielt der Kunde, was er begehrte. Michael färbte die Wolle auch in blau, rot, grau, schwarz oder ocker. Wie er die Farben mischte und woher er den Rohstoff nahm, hütete er wie ein Geheimnis selbst vor seiner Frau und vor seinem Sohne, der dem Vater erst offen, später listig, aber nicht listig genug, die geheime Kunst des treffsicheren Färbens abluchsen wollte. „Kommt Zeit – kommt Rat“, vertröstete er ihn ...


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